Eindruck des Standes der Benedictus Levita -Edition nach summarischer Durchsicht.
Von Finsterwalder 1926 an Juncker geschickte Materialien aus Seckels Nachlass scheinen vollständig vorzuliegen. Mehrere H[and]s[chriften]-Photographien sind noch zu ermitteln.
Seckels Nachlass bestand wesentlich aus Kollationen , Abschriften, Text-Entwürfen, Zusammenstellungen und fast unzähligen Notizen. Alles unvergleichlich gelehrt und kritisch scharfsinnig; auch geistreiche Einfälle. Genaue Sichtung erfordert noch längere Zeit. – Nichts fertig und für den Druck abgeschlossen, zumal er selbst offenbar über Technik der Ausgabe noch nicht schlüssig geworden war. Aber er beherrschte das Gesamtmaterial im weitesten Kreis, und zwar nicht nur die wichtigen Parallelsammlungen wie Ps[eudo]-Isidor , Cap[itula] Angilrammi usw., sondern überhaupt das ganze Quellenmaterial des Kirchen- und Römischen Rechts vollkommen.
Juncker ist wohl nicht in gleicher Weise in die Kanonistik eingearbeitet gewesen wie in die Romanistik. Von seiner Quellenstudie abgesehen, versuchte er besonders, das H[and]s[chriften]-Material über Seckel hinaus zu vervollständigen, mit z[um] T[eil] anscheinend beachtenswerten Ergebnissen, andrerseits vielleicht zu stark und unnötig in Detail gehend. Sehr wissenschaftlich und eingehend, doch wohl ohne erforderliche editionstechnische Erfahrung. Hergestellt ein erster Anfang vom 1.I als Druckm[anu]s[kript], ausserdem ein sehr komplizierter und unübersichtlicher Probedruck.
Die Aussichten auf eine leidlich anständige Ausgabe müssen z[ur] Z[eit] wenig hoffnungsvoll beurteilt werden. Persönlichkeit, die den Stoff souverän beherrschte, nicht zur Verfügung. Man müsste notgedrungen in Anforderungen und Ansprüchen einen Schritt zurückgehen und die Edition zwar kritisch – denn sonst zwecklos –, aber im Apparat primitiver gestalten als von Seckel und Juncker gewollt. Erforderlich: Sauberer kritischer Text auf Grund des zur Verfügung stehenden h[and]s[chrift]lichen Materials, unter Berücksichtigung auch der Abbreviatio -Form und anderer Ableitungen; dabei Kenntlichmachung von Echtem und Falschem bzw. Verfälschtem. Dem entsprechend in den Varianten die Lesartabweichungen und in den Noten sorgfältigst die Quellennachweise (zunächst nach den “Benedictus-Studien”).
Endgültig könnten Vorschläge über Editionsgestaltung erst nach genauer Aufnahme und Identifizierung des Seckel/Junckerschen Nachlasses gemacht werden. Diese wäre unerlässlich. Ebenso ist für den zukünftigen Bearbeiter, auch wenn er in der Hauptsache nur Redaktor sein soll, Kenntnis und Uebersicht des gesamten historischen Quellenstoffes notwendig. Bei der Kompliziertheit des Gegenstandes und des Materials ist die Ausgabe mit Fleiss allein nicht zu bewältigen. Eine äusserliche Erleichterung könnte durch deutschen statt lateinischen Apparat ermöglicht werden.
Alles in allem ist der Stand der Bearbeitung und die Chance auf baldige Drucklegung pessimistisch anzusehen. Allein die Einarbeitung ist schwierig und sehr zeitraubend. Dies alles unter Berücksichtigung einer in editionstechnischer Hinsicht vereinfachten Ausgabe, für die m.E. die Verantwortung nicht den verstorbenen Bearbeitern aufgebürdet werden könnte, sondern vom Reichsinstitut getragen werden müsste.
Berlin 20. August 1940. Perels
6. September 1940.
Herrn Geheimrat Heymann
B[er]l[i]n.-Lichterfelde-Ost
Oberhofer Platz 4
Hochverehrter, lieber Herr Geheimrat!
Hierbei sende ich Ihnen die Äußerungen von Herrn P. über Benedictus Levita.
Heil Hitler!
stets Ihr gez[eichnet] St[engel]
[handschriftliche Notiz] 1. Benedictus Levita