Einführung

Sinauer nicht mehr erwünscht

Brief von Edmund E. Stengel an Claudius Frhr. v. Schwerin, 02.07.1938

Mit Edmund Ernst Stengel stand ab 1937 ein NS-naher Mann an der Spitze der MGH, der kein Interesse an der politisch unerwünschten Weiterbeschäftigung von Erika Sinauer hatte. Zudem hielt er sie für ersetzbar, was sich als grobe Fehleinschätzung erweisen sollte. Stengel fand in der Germanistin Dr. Helene Bindewald, die sich im Mai 1938 um eine Stelle beworben hatte, einen politisch unproblematischen Ersatz. Er wies den Abteilungsleiter Ernst Heymann an, sich für Helene Bindewald um ein Stipendium zu bemühen. Sein Vorgehen hatte er mit Prof. Claudius Freiherr von Schwerin, Leiter des Editionsprojekts Sachsenspiegelglosse und Doktorvater von Erika Sinauer, abgesprochen. Im Juli 1938 war die Abwicklung der Zusammenarbeit mit Erika Sinauer beschlossene Sache. Doch vorher sollte Sinauer noch dazu bewegt werden, den zweiten Teil ihrer wissenschaftlichen Vorarbeit für die Edition zu veröffentlichen. Stengels Brief an Schwerin spricht eine deutliche Sprache und mutet fast zynisch an.

Transkription

2. Juli 1938.
Herrn Prof. Dr. Freiherrn von Schwerin
München

Sehr geehrter Herr Kollege!

Unter Bezugnahme auf unsere mündliche Unterredung möchte ich Sie davon in Kenntnis setzen, daß ich, pflichtgemäß die Sachlage erwägend, eine weitere Beschäftigung von Fräulein Dr. Sinauer-Freiburg an der Ausgabe der Sachsenspiegel-Glosse, so wertvoll ihre Mitarbeit in wissenschaftlicher Beziehung gewesen ist, nicht für erwünscht, ja nicht mehr für möglich halten kann. Ich wäre Ihnen verbunden, wenn diese Beziehung, die sich ja seit Jahren so wie so kaum noch praktisch ausgewirkt hat, endgültig auflösen würde, in einer Form, deren Wahl selbstverständlich Ihnen überlassen bleibt. Sie haben es als besonders wichtig bezeichnet, daß Fräulein S. noch den 2. Teil Ihrer Glossenarbeiten fertigstelle. Ich würde es meinerseits sehr begrüßen, wenn Fräulein S. sich hierzu entschließen könnte, auch deshalb, weil ihr dadurch die Möglichkeit gegeben wäre, ihre frühere Mitarbeit literarisch mit einem unter ihrem Namen gehenden Aufsatz abzuschließen, der dann in einer holländischen Zeitschrift erscheinen könnte.

Heil Hitler!

Der Ihre E[dmund] St[engel]