Zum namenlosen Korrektor degradiert

Wilhelm Levison

  • * 27.5.1876 in Düsseldorf
  • ✝ 17.1.1947 in Durham/England

Wilhelm Levison kam als Sohn Hermann Levisons und seiner Frau Josephine, geborene Goldschmidt, in Düsseldorf auf die Welt; seine jüdische Familie väterlicherseits war seit dem 17. Jahrhundert in Siegburg ansässig. Fünf Jahre nach Wilhelm, den die Eltern nach dem regierenden Kaiser benannt hatten, wurde der zweite Sohn Arthur geboren. Vater Hermann war Kaufmann und engagierte sich im „Verein zur Verbreitung und Förderung des Handwerks unter den Juden“. Levison erinnerte sich an seine große Hilfsbereitschaft, die sich nicht auf Juden beschränkte. So beschenkte der Vater zu Weihnachten die Nonnen eines benachbarten Klosters aus seinem Warenlager mit Gaben für die Armen. Nach seinem frühen Tod 1886 musste das Geschäft aufgelöst werden. 1899 zog die Mutter zu Wilhelm Levison und lebte mit ihm bis zu ihrem Tod 1916.

Wilhelm Levison begann direkt nach dem Abitur 1894, klassische Philologie und Geschichte in Bonn zu studieren. Nach erfolgreicher Promotion machte Levison, der eigentlich Bibliothekar werden wollte, mit dem Aufsatz „Zur Geschichte des Frankenkönigs Chlodowech“ Bruno Krusch, Leiter der MGH-Abteilung Scriptores rerum Merovingicarum, auf sich aufmerksam. Neujahr 1899 holte Krusch den 23jährigen Levison als Mitarbeiter zu den MGH. Dieser Schritt sollte Levisons Leben prägen. Frisch habilitiert begann er 1903 außerdem seine Lehrtätigkeit an der Universität Bonn, zusätzlich zur anstrengenden Editionsarbeit für die Monumenta. Die Doppelbelastung führte der mittlerweile anerkannte Spezialist für frühmittelalterliches Latein bis 1920 fort.

1917, ein Jahr nach dem Tod der Mutter, heiratete Wilhelm Levison die Jüdin Dr. Elsa Freundlich, die er bereits als Studentin in seinen Übungen an der Universität kennengelernt hatte. Bonn solte bis zur erzwungenen Emigration 1939 der Lebensmittelpunkt des kinderlosen Ehepaars bleiben. Einen Ruf an die Universität Berlin 1929 lehnte Levison ab, „um in seiner rheinischen Heimat zu bleiben, mit der er auch durch wissenschaftliche Arbeit immer mehr verwachsen war, in einer ihm menschlich und landschaftlich besonders zusagenden Umgebung“, wie er selbst schrieb (Levison, Familie, S. 65). 1920 wurde Wilhelm Levison als ordentlicher Professor verbeamtet und schied folglich aus den Dienstverhältnis mit den MGH aus. 1925 wurde er in die Zentraldirektion der MGH gewählt. Dieses Amt übte er 15 Jahre lang aus. 1935 wurden Prof. Dr. Wilhelm Levison aufgrund der NS-Rassengesetze alle beruflichen Tätigkeiten verboten. Die Bonner Universität pensionierte ihn zwangsweise.

Nach den Novemberpogromen 1938 bot sich den Levisons die Möglichkeit zur Emigration nach England. Ab April 1939 lebten sie in Durham im Nordosten Englands, wo Wilhelm Levison von der Universität als Honorary Fellow Geld bekam. Auch seine Arbeiten für die MGH führte er in England bis zu seinem Tod im Januar 1947 fort.

Selten äußerte sich der als gütig und hilfsbereit beschriebene Wissenschaftler in den Briefen zu seiner persönlichen Situation, die ab 1933 immer prekärer wurde. Die Verbundenheit Levisons mit den MGH würdigte 2010 MGH-Präsident Rudolf Schieffer: „Gewiß ist niemand je in seinem sanctus amor patriae, der alten Devise der Monumenta, so radikal herausgefordert worden wie dieser rheinische Jude, der sich von der großen Aufgabe selbst dann nicht abbringen ließ, als er aus dem Lande verjagt und von jedem Kontakt mit der Heimat abgeschnitten war“ (Schieffer, S. 210).


Editionen bei den MGH


Weitere Veröffentlichungen in Auswahl

  • Wilhelm Levison, Die Beurkundung des Civilstandes im Altertum. Ein Beitrag zur Geschichte der Bevölkerungsstatistik, Bonn 1898 - Dissertation
  • Wilhelm Levison, Das Werden der Ursula-Legende, in: Bonner Jahrbücher Bd. 132 (1927), S. 1-164
  • Wilhelm Levison, England and the Continent in the Eighth Century (The Ford Lectures delivered in the University of Oxford in the Hilary term 1943), Oxford 1946
  • Wilhelm Levison, Aus rheinischer und fränkischer Frühzeit. Ausgewählte Aufsätze, Düsseldorf 1948
  • Elsa Levison (Hg.), Wilhelm Levison 1876 – 1947, a Bibliography, Oxford 1948
  • Wilhelm Wattenbach, Wilhelm Levison, Heinz Löwe, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter. Vorzeit und Karolinger, posthum hg. von Walther Holtzmann:
    Die Vorzeit von den Anfängen bis zur Herrschaft der Karolinger, bearbeitet von Wilhelm Levison (Heft 1), Weimar 1952
    Die Karolinger vom Anfang des 8. Jahrhunderts bis zum Tode Karls des Grossen, bearbeitet von Wilhelm Levison und Heinz Löwe (Heft 2), Weimar 1953


Verwendete Literatur zu Wilhelm Levison


Foto von Wilhelm Levison