Einführung

Erinnerungen

Brief von Antonie „Tona“ Perels an Fritz Weigle, 10.5.1949

Ernst Perels arbeitete nach seinem erzwungenen Rücktritt weiter in den Räumen der MGH, musste jedoch unsichtbar bleiben. Fritz Weigle, ein Schüler Perels, der am Deutschen Historischen Institut in Rom arbeitete und spätestens ab 1943 in SS-Organen tätig war, ließ am 15. April 1942 in seinem Brief an die MGH-Mitarbeiterin Thea Vienken seinen akademischen Lehrer Perels grüßen: „Mit den besten Gruessen an alle Bekannten, besonders an Frl. Dr. Kuehn, Herrn Prof. Perels und Herrn Dr. Erdmann, Herrn Foerster und Frau Hermeking, falls sie noch in Berlin sein sollte“ (B 558, Blatt 281v). Am 31. August 1942 schrieb Carl Erdmann in einem Brief an Prof. Anton Michel in Freising: „Besten Dank für die letzten Korrekturen (…). Ich habe lediglich die Worte „der Kommission mit Herrn Prof. Dr. E. Perels“ herausgestrichen, denn eine solche Kommission hat nicht existiert. Prof. Perels (den Sie selbst ja genannt hatten, mit dem unser Institut jetzt aber keine offiziellen Beziehungen unterhalten kann) hat das Manuskript seinerzeit ebenso wie ich lediglich zur Äußerung erhalten“ (B 561, Blatt 137).

Im Januar 1944 wurde die MGH-Bibliothek von Berlin nach Pommersfelden bei Bamberg in Sicherheit gebracht. Ein Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zog mit um, so auch Ernst Perels. In Pommersfelden arbeitete er an einer umfassenden Darstellung des Verhältnisses von Staat und Kirche im frühen Mittelalter, die er nicht mehr schreiben konnte, da ihn die Gestapo im Oktober 1944 aus der Bibliothek der Monumenta heraus verhaftete. Ernst Perels wurde für seinen der Teilnahme an der Verschwörung des 20. Juli angeklagten und am 23.4.1945 erschossenen Sohn Friedrich-Justus in Sippenhaft genommen, zunächst in Berlin, dann im KZ Buchenwald bei Weimar, von dem er in die Oberpfalz in das KZ Flossenbürg gebracht wurde, wo er im Mai 1945 verstarb.

1949 schickte Fritz Weigle seinen Nachruf auf Ernst Perels an die Witwe, Antonie „Tona“ Perels. Antonie Perels hatte im NS-Regime nicht nur ihren Mann und ihren Sohn Friedrich-Justus verloren, sondern auch ihren jüngsten Sohn Hans, gefallen am 26.11.1941 in Nordafrika, und ihren Schwager, Prof. Kurt Perels, der angesichts der drohenden Zwangspensionierung am 10.3.1933 Selbstmord begangen hatte. Im nebenstehenden Brief an Weigle erinnerte sich die 64-Jährige unter anderem an die geselligen Abende im Hause Perels. Die Mitarbeit von Fritz Weigle in einer Abteilung des Reichssicherheitshauptamts, als Amt der SS für einen Großteil der Repressalien in der NS-Diktatur zuständig, war Tona Perels sicher nicht bekannt (siehe Fuhrmeister, Kunstschatz, S. 107ff.). Nicht auszuschließen ist, dass die Kontaktaufnahme Weigles mit der Familie Perels (auch) als Gesinnungsbeweis in Sachen Entnazifizierung dienen sollte.

Ernst und Tona Perels ältester Sohn Otto erinnerte sich wie seine Mutter gerne an die Gastlichkeit im Haus der Eltern: „Aus dem Kreis der Monumenta-Mitarbeiter der älteren Generation sind Reinhold Koser, [Oswald] Holder-Egger, [Emil] Seckel und schließllich Paul Kehr zu nennen, aus seiner Generation Mario Krammer, Walter Holtzmann, Erich Caspar, [Adolf] Hofmeister, die alle auch gesellschaftlich bei uns verkehrten, teilweise mit meinen Eltern Hausmusik machten. Vater singend, besonders Franz Schubert und Carl Loewe, aber auch Beethoven, Mozart, Robert Schumann, Mutter am Klavier begleitend oder selbst Sonaten von Beethoven, Mozart, Schubert spielend; das waren sehr kostbare Erlebnisse für mich“ (Perels, 1991, S. 4).

Transkription

Berlin-Lichtenfelde Weddigenweg 64
10.5.49

Sehr verehrter Herr Doktor!

Herzlich danke ich Ihnen für Ihren feinen Nachruf auf meinen armen Mann. Ich entsinne mich sehr Ihrer Persönlichkeit, als Sie in der Stubenrauchstr. in Friedenau bei uns verkehrten und liebte den ganzen Schülerkreis, bedauerte es von Herzen, dass ab 30 diese Abende aufhörten. Sie haben Glück gehabt, von 39-45 in Italien zu leben. Hier war es gar zu schwer, unser Hausverkehr hörte ab 35 ziemlich auf, wir wohnten seit 34 in Lichterfelde und die Verfolgung hielt Viele fern. Ich selbst war bis Anfang August 45 hier, trug Essen ins Gefängnis solange es ging, für meinen Sohn noch bis Ende März. Seine Frau durfte ihn besuchen. Mein Mann hatte Rauch- und Leseverbot und keine Sprecherlaubnis. So sah ich ihn nicht wieder seit Oktober 44. Sein Schicksal war zu hart, besonders da es ihm bis Oktober 44, meist fern von Berlin, noch gut gegangen war. Unser Heim ist erhalten geblieben. Ich habe 4 Zimmer abvermietet und wohne so billig. Eine seit 18 Jahren im Hause befindliche Stütze wohnt noch bei mir als Rentnerin. Die Nähe unserer Friedenauer Kinder ist mir ein grosser Trost und Freude, 7 Enkelkinder sind dort, 2 noch in Süddeutschland, Karlsruhe und Gmund. Ich helfe in Ottos Gemeinde, bin seit 30 Gemeindehelferin, erst in Friedenau, dann Lichterfelde, dann Flensburg und jetzt Friedenau.

Ihnen für Ihre schöne Arbeit Gottes Segen wünschend grüsst Sie vielmals Ihre Tona Perels

Eben erst erhalte ich den Brief von meinem Sohn zurück, seine Zeit ist zu knapp!

[Vorderseite linker Rand:]

In Flensburg stand mein Sohn Ulrich zuletzt als Unteroffizier und holte mich dorthin bevor Berlin Frontstadt wurde.

[Vorderseite oben auf dem Kopf stehend:]

Wie mag es Dr. Schur und Pater Scholz gehen?