Einführung

Perels wird unsichtbar

Briefentwurf von Ernst Perels für Paul Fridolin Kehr, 27.3.1936; Antwort des Verlags, 30.3.1936

Vielleicht war es Zufall, dass Ernst Perels im März 1936 nicht in eigener Person mit dem Verlag die Drucklegung des ersten Teils seiner Edition der Briefe Hinkmars von Reims verhandelte, sondern für Paul Kehr das entsprechende Schreiben entwarf. Vielleicht war es aber auch eine Vorsichtsmaßnahme, um Außenstehende nicht mehr als notwendig auf die weitergeführte Mitarbeit von Ernst Perels aufmerksam zu machen.

Seit 1935 waren die Monumenta als nationalsozialistisches „Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde“ dem Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Bildung unter Bernhard Rust unterstellt. Wilhelm Engel, der am 25. März 1936 die kommissarische Leitung der ehemaligen MGH übernahm, bekannte sich zur NS-Ideologie, wie in seinem Antrittsaufsatz „Deutsches Mittelalter. Aufgabe und Weg seiner Erforschung“ nachzulesen ist.

Kurz vor seinem Amtsantritt hatte Engel im Februar 1936, noch als Referent im Reichswissenschaftsministerium, eine Anfrage bezüglich Forschungsaufträgen an jüdische Wissenschaftler gestellt und die Auskunft erhalten, dass keine Bedenken bestünden gegen die „Aufrechterhaltung und Neuerteilung von Forschungsaufträgen an entpflichtete oder pensionierte Juden. Forschung ist keine obrigkeitliche Tätigkeit. Sie kann auch lediglich im Privatdienstvertrag ausgeübt werden. (…) Politisch gesehen, ist die Kündigung alter Forschungsaufträge untunlich. Die Erteilung neuer dagegen möglichst zu vermeiden“ (Oberling, Perels, S.198). An diese Vorgabe hielt sich der neue Leiter und ließ Ernst Perels als freien Mitarbeiter an seinem 1931 erteilten Auftrag in den Räumen der MGH arbeiten.

Nach der perfiden Rassenideologie des NS-Regimes war Ernst Perels zudem kein Jude, sondern ein „jüdischer Mischling“ und daher als Mitarbeiter weiterhin „tragbar“. Laut Ernst Perels‘ Sohn Otto hatte ein Freund für Ernst Perels ein Gespräch mit Hans Globke, einem der Verantwortlichen für die Nürnberger Rassengesetze, vermittelt. Ernst Perels konnte gegenüber Globke die evangelische Religionszugehörigkeit seiner Mutter und deren Eltern urkundlich nachweisen und erreichte damit, offiziell als „Mischling 1. Grades“ laut NS-Rassenterminologie eingestuft zu werden. „Die Weiterarbeit bei den Monumenta war ihm dadurch offengeblieben“, schrieb Otto Perels in seinen Erinnerungen an den Vater (Perels, 1991, S. 15).

Auf dem ersten Teilband der Briefe Hinkmars von Reims, der 1939 erschien, sucht man den Namen des Herausgebers Ernst Perels vergebens. „Die Briefe haben sich selbst herausgegeben“ bemerkte Perels sarkastisch gegenüber seiner Familie (Perels, 2011, S. 6)

Transkription

[Handschrift Paul Kehr:]

Berlin 27. März 1936

Gleichzeitig erlaube ich mir

[Handschrift Ernst Perels:] ~~In der Anlage beehre ich mich,~~ den Anfang des Manuskripts der von Herrn Prof. Perels für den VIII. Band der Epistolae bearbeiteten Briefe Hinkmars von Reims (Nummern 1 – 133) zur Drucklegung zu übersenden.

Der Satz soll dem Muster der Epistolae – Bände VI und VII folgen. Die Überschrift wird erst über die Vorrede des Ganzen zu stehen kommen, welche in römischer Paginierung nach Fertigstellung des eigentlichen Textes zu setzen ist. Dieser beginnt also ohne Titel mit Stück 1. Als Seiten-Überschriften sind zu setzen: links: Hinkmar von Reims; rechts die Brief-Nummern, also z. B.: 5 -7.

Varianten und Anmerkungen werden auch in dieser Serie von jetzt ab in deutscher Sprache gegeben werden. Sie sind seitenweise zu bezeichnen, auch da, wo das Manuskript

durchzählt.

Ich bitte einen Probesatz der ersten Stücke in Fahnen anfertigen zu wollen und zu übersenden. Korrekturen an nachfolgenden Anschriften:

Geheimrat Kehr je 1 Abzug

Drd. F. Weigle Büro des Reichs-

Privatdozent Dr. Erdmann instituts

Fräulein Drd. Ertl 2 Abzüge dgl.

Prof. Perels 2 Abzüge nebst Manuskript: Berlin-Lichterfelde 1 Weddigenweg 64

Prof. Strecker 1 Abzug

K [abgezeichnet durch Paul Kehr]

[Briefkopf Hermann Böhlaus Nachfolger]

Weimar, den 30. März 1936

An das
Reichsinstitut für ältere Deutsche Geschichtskunde

z. Hd. von Herrn Geh[eimer] Oberreg[ierungs] Rat Professor Dr. P. Kehr
Berlin NW 7
Charlottenstraße 41

Sehr geehrter Herr Geheimrat !

Wir danken Ihnen bestens für Uebersendung des Manuskriptes Nr. 1 –133 für Mon[umenta] Germ[aniae] hist[orica] Epistolae Bd. VIII.

Alle Anweisungen für die Anfertigung des Probesatzes sowie die Versendung der Korrekturen haben wir uns vorgemerkt. Wir nehmen an, dass das jeweils abgesetzte Manuskript mit den Korrekturabzügen an Herrn Professor Dr. Perels gesandt werden soll, andernfalls erbitten wir um Nachricht.

Den gewünschten Probesatz haben wir sofort in Arbeit genommen. Wir erlauben uns zur besseren Ansicht – Ihr Einverständnis voraussetzend – 4 Druckseiten Probesatz herzustellen und auch zu umbrechen. Sollten 4 Druckseiten nicht genügen, so bitten wir um kurze Anweisung. Wir haben wohl Ihre Anweisung richtig aufgefasst, indem wir die Abzüge des Probesatzes nur Ihnen übersenden.

Indem wir nochmals für die uns überwiesene Arbeit danken, zeichnen wir

mit vorzüglicher Hochachtung

Heil Hitler!

[Stempel und Signatur]