Einführung

Familiäre Verpflichtungen

Ludwig Traube an Ernst Dümmler, 22.03.1901

Ludwig Traube widmete sich am liebsten dem Mittellatein und der mittelalterlichen Schriftkunde. Als leidenschaftlicher Gelehrter strebte eine ordentliche Professur an; auch hätte er damit seinen finanziellen Verpflichtungen innerhalb der Verwandtschaft besser nachkommen können. Da Traube eine ordentliche Professur in München nicht in Aussicht gestellt wurde, bemühte er sich um eine feste Anstellung bei den Monumenta. So schrieb er im Dezember 1893 an Ernst Dümmler, den Vorsitzenden der MGH: „Ich bin also darauf angewiesen, mir weitere Einnahmen zu erschließen. Meine Aussichten in München sind in dieser Richtung hoffnungslose. Die Stadt selbst würde ich ungern verlassen, es wäre dies jetzt, wo mein Pflegesohn gerade angefangen hat, das Gymnasium zu besuchen, ein ganz besonders übler Wechsel. Ich wüsste aber auch gar nicht, wohin ich mich wenden könnte, denn natürlich möchte ich relativ freier Gelehrter bleiben und meine Fäden weiter spinnen können. Nun haben Sie, verehrter Herr Geheimrath, vor einigen Jahren einmal angefragt, ob ich bereit sei in ein festes Verhältnis zu den Monum[enta] Germ[aniae] zu treten mit einer ständigen, wie Sie damals schrieben, ‚zunächst freilich nur geringen Honorierung‘. Würden Sie diese Anfrage jetzt wiederholen, so wäre meine Antwort eine andere als damals. Ich habe keine Bedingungen zu stellen, ich komme heute einfach als Bittender“ (MGH-Archiv B 345). 1897 übernahm Traube schließlich die Leitung der Abteilungen Auctores Antiquissimi und Antiquitates von Dümmler.

Noch größere Verpflichtungen entstanden dem mittlerweile Vierzigjährigen 1901, als er mit Hildegard Hirth die Ehe einging. Eine psychische Erkrankung seiner Frau belastete das gemeinsame Leben schwer, dazu kam die schwache körperliche Konstitution Traubes und die andauernden Schwierigkeiten, in München eine bezahlte Professur zu bekommen. An seinen Freund Goldschmidt schrieb er am 26.5.1901: „Meiner Frau geht es gut. Ich aber bin doch viel in Sorgen + lebe so unzusammenhängend (einen besseren Ausdruck finde ich nicht)“ (MGH-Archiv B 683,1).

Die Gesundheit seiner Frau und sein Ringen mit Universität und Ministerium um Entlohnung seiner Lehrtätigkeit tauchen immer wieder in Traubes Briefen auf. Sein Bemühen um eine bezahlte Professur in München trug wegen antisemitischer Umtriebe erst 1902 Früchte; ein Professorengehalt erhielt er ab September 1904.

Transkription

M[ün]ch[e]n, 22 III 1901.

Mein hochverehrter Herr Geheimrath,

die beiliegenden kurzen, aber, was die Collation betrifft, gewiss hinreichend genauen Aufzeichnungen über die Verse des Bonifat[ius] gehen nun endlich an Sie ab, mit dem Wunsche Sie möchten Ihnen dienen + willkommen sein. Weiteres, was ich vielleicht übersehen habe, bitte ich recht herzlich durch Anfragen bei mir festzustellen.

Die ganze Zwischenzeit war doch recht sorgenvoll. Es ging meiner Frau körperlich sehr gut; dann kam eine Erkältung, die aber ausgezeichnet abzulaufen scheint. Doch die einfachste und natürlichste Verstimmung, die kleinste Krankheit erweckt, gewiss unbegründete, aber leider doch so verständliche Besorgnisse. Und so löst sich unser Leben, statt im Zusammenhang des Wirkens oder gemeinsamen Erlebnisse sich zu entfalten, doch mehr in einzelne Tage, in Unruhen + besonderen Ereignisse auf.

Seit Ihrem lieben Brief hörte ich aus Berlin nichts mehr, d[as] h[eißt] von der Berufungsangelegenheit. Die Münchener Fakultät (ich weiß nicht, ob ich das schon schrieb) kam noch einmal beim Minister an, er solle gleich etwas für mich thun. Es ist mir unbekannt, ob der Senat der Univ[ersität], der diese Eingabe zu befördern hatte, sie abgesandt hat. Doch das tritt Alles so sehr in den Hintergrund, dass ich wirklich selten von dieser Ungewissheit mich berühren lasse.

Darf ich, da Sie wahrscheinlich schon begonnen haben unser Budget abzustützen + ins Gleichgewicht zu bringen, darf ich jetzt schon meine Wünsche anmelden? und zwar:
für die Scriptores antiquissimi … 100 M.
für die Antiquitates …….…………….600 M.,
dazu kommt Winterfelds Gehalt + meines, das bisher für die Antiq[uitates] + zwar mit 600 angesetzt war.

Die Begründung + alles Eingehen bringe ich später. Dies nur einstweilen, damit wir auch unser Plätzchen an der Sonne erringen.

In herzlichster Verehrung + treuer Dankbarkeit Ihr ergebener Traube.