Einführung

Weitgereister Nachlass

Brief von Helene Schweitzer-Bresslau mit eigenhändigem Gruß von Albert Schweitzer an Friedrich Baethgen, 13.07.1951

Die Witwe Harry Bresslaus, Caroline Bresslau-Isay, überlebte ihren Mann um fünfzehn Jahre und wohnte bis zu ihrem Tod 1941 in Heidelberg. Ihr älterer Sohn Ernst war mit seiner Frau Luise Bresslau-Hoff 1934 nach Brasilien emigriert, der jüngere Bruder Herrmann war bereits 1913 verstorben. Bresslaus Tochter Helene war seit 1912 mit Albert Schweitzer verheiratet, den sie in Straßburger Studentenkreisen kennengelernt hatte. Das junge Ehepaar ging 1913 nach Gabun, damals Französisch-Äquatorialafrika - er Arzt und Theologe, sie neben zwei Studien auch Krankenschwester. Zu Beginn behandelten sie Patienten im Hühnerstall der schon existierenden französischen Missionsstation Andende; das war der Beginn des berühmten Urwaldhospitals Lambarene. Eine schwere Tuberkulose, ausgelöst durch das strapaziöse Klima in Lambarene sowie kriegsbedingt harte Lebensumstände - insbesondere die Lagerhaft 1918 -, sowie veränderte Lebensumstände durch die Geburt der Tochter Rhena 1919 führten dazu, dass Helene Schweitzer-Bresslau nicht mehr kontinuierlich an der Seite ihres Mannes in Lambarene bleiben konnte. Ab 1919 pendelte Helene Schweitzer zwischen dem Familienhaus im Schwarzwald, Lausanne, wohin sie mit ihrer Tochter 1933 zog, Frankreich, internationalen Reisen und kürzeren Aufenthalten in Lambarene.

Der umfangreiche Nachlass Harry Bresslaus, und anscheinend vor allem die Korrespondenz, landete – soweit es sich überhaupt nachvollziehen lässt – mit Tochter Helene zum Teil im Schwarzwald, zum Teil in Lausanne und mit Sohn Ernst zum Teil in Brasilien.

Am 28. Mai 1951 wandte sich Helene Schweitzer-Bresslau mit den Worten „Ob Sie nach so langen Jahren sich meiner erinnern, wage ich zu bezweifeln“ an den MGH-Präsidenten Friedrich Baethgen. Der antwortete umgehend: „... selbstverständlich erinnere ich mich genau an Sie, wie mir das ganze Haus Ihres hochverehrten Herrn Vaters in voller Lebendigkeit vor den Augen steht. Ich brauche kaum ausdrücklich zu sagen, dass ich seinen Nachlass sehr gern für die Monumenta Germaniae als Depot übernehmen werde und dass ich es als eine hohe Ehre betrachte“. Auf die Nachfrage Baethgens bestätigte Helene Schweitzer-Bresslau den MGH, dass die den MGH übergebenen Briefe für wissenschaftliche Zwecke verwertet werden dürften; unter ihren Zeilen findet sich in einer kleinen konzentrierten Schrift ein persönlicher Gruß des späteren Friedensnobelpreisträgers Albert Schweitzer.

Die Bemühungen, den Nachlass Bresslau zu ordnen, nahmen auf Drängen der Westdeutschen Bibliothek (heute Universitätsbibliothek) in Marburg einige Jahre später wieder Fahrt auf. Das Schicksal dieses Nachlasses, der durch viele Hände (und Länder) wanderte, bildet sich im heutigen Bestand der MGH ab.

Transkription

Günsbach, 13.7.1951.

Lieber Herr Baethgen,

Ihre freundlichen Zeilen vom 5. Juli erreichten mich hier, wo ich einige Tage mit meinem Mann verbracht habe, das wir aber heute wieder verlassen.

Nehmen Sie meinen besten Dank dafür, wie auch für die Photocopie Ihres Nachrufs auf meinen Vater, von der Dr. Hirsch mir schreibt, dass er sie erhalten und bis zu meiner Rückkehr nach Königsfeld für mich verwahrt hat.

Was die Frage einer evtl. wissenschaftlichen Verwertung der Korrespondenz meines Vaters anbetrifft, deren Empfang zu bestätigen Sie die Güte hatten, so glaube ich dass es ganz in seinem Sinne wäre, die Briefe gegebenenfalls dafür zur Verfügung zu stellen und habe aus diesem selben Grunde auch meinerseits nichts dagegen einzuwenden.

Mein Mann möchte ein Wort an Sie anfügen. Mir ist es ein Anliegen Ihnen nochmals für Ihr so freundliches Entgegenkommen und die Übernahme der Verwahrung der Briefe herzlichst zu danken, mit dem Wunsch dass Ihnen keine Bemühung daraus erwachsen möge.

Mit besten Grüßen Helene Schweitzer-Bresslau

Sehr geehrter Herr Baethgen.

Es drängt mich, Ihnen zu sagen, wie sehr es mich freut, dass die Briefe meines lieben Schwiegervaters, die auf die Monumenta Bezug haben, nun an dem Orte sind, wohin sie gehören!
Ich weiß ja, dass er für die Monumenta nicht nur arbeitete, sondern auch lebte.

Herzlichst Ihr ergebener

Albert Schweitzer