Einführung

Von jüdischer Geschichte zur Papstgeschichte

Philipp Jaffés erste Publikation erschien in der Fachzeitschrift „Der Orient. Berichte, Studien und Kritiken für jüdische Geschichte und Literatur“ zwischen November 1842 (Heft 46) und Dezember 1843: Er veröffentlichte zwanzig Urkundentexte mit deutscher Übersetzung unter dem Titel „Licht- und Schattenbilder aus der jüdischen Vergangenheit und Gegenwart: Urkunden zur Geschichte der Juden im Mittelalter“.

Im Vorwort formulierte der 24-Jährige seine Motivation: „Ungleich höher nun steigt die Wichtigkeit der Urkunden, die sich mit den Verhältnissen der Juden beschäftigen, (…), da die Juden selbst den meist christlichen Skribenten des Mittelalters ein zu wenig interessanter Gegenstand waren (…) Wie wünschenswerth, ja unentbehrlich daher dem Bearbeiter der jüdischen Geschichte der Zutritt zu den vorhandenen diplomatischen Überbleibseln sein muß, leuchtet von selbst ein.“

Während seiner Studienjahre wandte sich Jaffé ganz der christlichen Mittelalterforschung in der Tradition Leopold Rankes zu. Sein frühes Interesse an Quellen zur jüdischen Geschichte verfolgte er nicht weiter, sondern ließ sich in Rankes Seminaren von der deutschen Mittelalterforschung begeistern. Er verfasste im Stil der von Ranke initiierten „Jahrbücher des Deutschen Reichs“ zwei Bände, wechselte aber bald von der Geschichtsschreibung zur lateinischen Philologie und Schriftkunde des Mittelalters, die ihm weit besser lagen.

Angeregt durch die Regesten der Kaiserurkunden, die Johann Friedrich Böhmer unter dem Titel „Regesta imperii“ veröffentlichte, übernahm der jüdische Wissenschaftler Jaffé die Mammutaufgabe, Vergleichbares für die päpstliche Überlieferung zu leisten. Sein Hochschullehrer Pertz hatte ihn auf dieses Thema aufmerksam gemacht und für – wenn auch magere - Finanzierung der geplanten Arbeit gesorgt. 1851 erschienen Jaffés „Regesta pontificum Romanorum“ mit 11.000 lateinisch abgefassten Regesten (= Inhaltsangaben zu päpstlichen Schriftstücken von der Antike bis ins 12. Jahrhundert). Sie brachten dem 32-Jährigen die Anerkennung der wissenschaftlichen Welt; sogar Papst Pius IX. gratulierte dem Verfasser.

Allerdings wurde auch wahrgenommen, dass ausgerechnet ein Jude dieses für die Kirchengeschichte wichtige Werk vollbracht hatte; so zum Beispiel Johann Friedrich Böhmer in einem Brief vom 10.2.1850, in dem er sich bei Joseph Chmel über die restriktiven Arbeitsbedingungen im Vatikan beklagte und anschließend auf Jaffés Regesten einging: „Aus Berlin höre ich, daß Jaffé's Regesten der Päpste, bis Innocenz III. 10,000 Bullen und Briefe umfassend, unter der Presse seien. Daß dieses wissenschaftliche Verdienst ein Jude sich erwerben mußte!“ (in: Johann Friedrich Böhmer’s Briefe und kleinere Schriften II, 1868, S. 13). Das Bestreben von Pertz, Jaffé in Rom eine Stelle für die Fortsetzung seiner „Regesta“ über das 12. Jahrhundert hinaus zu beschaffen, war völlig aussichtslos.