Einführung

Postume Richtigstellung

Brief von Friedrich Baethgen an Elsa Levison, 17.11.1950; Antwortbrief von Elsa Levison an Friedrich Baethgen, 26.11.1950

Levison hatte seine Bibliothek und Arbeitsmaterialien nach England mitgenommen. In Durham arbeitete er neben seinen anderen wissenschaftlichen Tätigkeiten ein Projekt aus, das er bereits als junger Mann begonnen hatte: Die Familiengeschichte der jüdischen Siegburger Familie Levison ab dem 17. Jahrhundert. Vermutlich konnte er so wenigstens auf dem Papier in Verbindung mit der verlorenen Heimat bleiben. Er verteilte sein Werk in der Familie; erst postum wurde diese kritisch zuverlässige Geschichte einer seit dem 17. Jahrhundert nachweisbaren rheinischen jüdischen Familie durch Bonner Kollegen gedruckt.

1946 verstärkten sich Levisons Herzprobleme, im Januar 1947 verstarb er in Durham. 1950 wandte sich MGH-Präsident Friedrich Baethgen an seine Witwe Elsa Levison. Die Historia Gregors von Tours, die ab 1937 ohne Benennung von Levisons Mitarbeit erschienen war, sollte neu erscheinen mit dem von Levison in England verfassten Register und vor allem mit korrekter Benennung der Bearbeiter. Baethgen erbat hierfür die Zustimmung von Elsa Levison.

Transkription

17. November 1950.

Frau Prof. Dr. Levison, 4 Victoria Terrace Durham England

Tgb.Nr.50/665

Sehr verehrte Frau Levison!

Sie werden sich meiner, wie ich hoffe, aus alten Heidelberger Zeiten nach erinnern, und ich möchte mich deshalb unmittelbar mit einer Frage an Sie wenden. Es ist mir eine grosse Freude und Genugtuung, dass ich jetzt die letzte grosse Arbeit Ihres hochverehrten Mannes für die Monumenta Germaniae, die Einleitung und die Indices zum Gregor von Tours, herausbringen kann. Dabei hat sich mir jedoch noch ein Gedanke aufgedrängt. Auf dem Titelblatt ist als Herausgeber lediglich Bruno Krusch genannt und ich weiss, dass dies auch der Auffassung Ihres Mannes entsprach. Hingegen entspricht es nicht dem sachlichen Anteil, den er selbst an der Fertigstellung der Ausgabe gehabt hat, und ich glaube, dass sein Verzicht, zum mindesten teilweise, darauf zurückzuführen war, dass er in seiner unendlich vornehmen Art den Monumenta keine Schwierigkeiten bereiten wollte, wie sie damals unter den gegebenen Verhältnissen zu befürchten gewesen wären. Um so mehr ist es mir ein ausgesprochenes Bedürfnis, seinem Namen jetzt die Stellung zu geben, die ihm ohne Zweifel gebührt. Nun schreibt mir Herr Holtzmann, dass er in einer mündlichen Unterhaltung Ihnen den Vorschlag schon einmal gemacht, aber Sie ihn abgelehnt hätten. Daher möchte ich nun meinerseits heute noch einmal die Bitte an Sie richten, meinem und dem Wunsche von Herrn Holtzmann zu entsprechen und sich mit der Nennung des Namens einverstanden zu erklären. Denn es versteht sich von selbst, dass wir ohne Ihre Zustimmung die Frage nicht entscheiden werden. Aber ich darf vielleicht sagen, dass ich es als eine Ehre für die Monumenta Germaniae betrachten würde, wenn der Name Ihres Mannes, der so unendlich viel für sie getan und sich ihnen immer so eng verbunden gefühlt hat, noch einmal auf einem Titelblatt erschiene.

Mit meinen besten Grüssen bin ich in alter Verbundenheit

Ihr sehr ergebener B[aethgen]

4 Victoria Terrace Durham.

26.XI.1950.

Lieber Herr Baethgen,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre so freundlichen Zeilen am 17. Nov[ember].
Selbstverständlich erinnere ich mich Ihrer gut aus jenen alten Heidelberger Zeiten, da Hampes noch in der Blumenthalstrasse wohnten. Aber auch unser letztes Zusammentreffen ist mir noch deutlich in der Erinnerung: ein ganz kurzes Wiedersehen auf dem Kongress in Oslo 1928 – ich glaube, bei einem der vielen, grossen, festlichen Empfänge, in Akershus - oder sollte ich mich da täuschen?
Ihre Frage, ob meines Mannes Namen neben Krusch auf dem Titelblatt des „Gregor“ genannt werden darf, ist auch soeben durch einen Brief von Herrn Holtzmann nochmals an mich herangetragen, u[nd] ich will sie jetzt gern u[nd] ohne alle Bedenklichkeit zustimmend beantworten. Ich gebe Ihnen jetzt vollkommen recht: die Bedenken meines Mannes waren z[um] T[eil] durch die unglückliche Situation jener Jahre verursacht u[nd] gerechtfertigt. Daneben freilich war es auch die Freundschaft für Krusch, die ihn veranlasste, sich nur helfend und rettend bei dieser Ausgabe zu betätigen, den Monumenta zu dienen u[nd] gleichzeitig dem alten, stets verehrten Freund eine arge wissenschaftliche Niederlage am Schluss des Lebens zu ersparen. Eine mühevolle Aufgabe war es, die mein Mann da übernommen hatte das weiss ich – er hat ihr viel Zeit, Kraft u[nd] Sorgfalt gewidmet – u[nd] so möge denn sein Name getrost da stehen, wo er noch ein letztes Mal Zeugnis ablegen kann für seine treue, lebenslange Verbundenheit mit den Mon[umenta] Germ[aniae]. Er selbst wäre auch damit einverstanden – davon bin ich jetzt überzeugt.
Alle meine guten Wünsche für die M[onumenta] G[ermaniae] u[nd] ganz persönlich für Sie selbst. Wenn je Ihr Weg Sie nach England führt, so erinnern Sie sich bitte daran, daß Durham nur 5 ¼ Std. von London entfernt ist u[nd] daß es mir jederzeit eine grosse Freude wäre, Sie hier zu begrüßen.

In guten Gedanken stets Ihre Elsa Levison.