Einführung

SS war die Arbeit Levisons für die MGH bekannt 1939

Schreiben von Hermann Löffler an Wolfram Sievers, 03.02.1939

Im Sicherheitsdienst (SD) der SS erarbeitete der Historiker Hermann Löffler unter der Aufsicht des Münchner Indologen und späteren Rektors der Ludwig-Maximilians-Universität Walther Wüst im Jahr 1938 ein Gutachten über die politische Gesinnung der deutschen Geschichtswissenschaft. Dem Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde (MGH) sind darin nur kürzere Abschnitte gewidmet, die aber zeigen, dass die SS auf indirekten Wegen massiven Einfluss auf die Leitung des Instituts nehmen wollte.

In einem Schreiben vom 3.2.1939 berichtete Löffler an den Geschäftsführer des SS-Forschungseinrichtung „Ahnenerbe“ Wolfram Sievers ausführlich über seine Recherchen zu jüdischen Historikern und geht auch auf die Monumenta ein, allerdings mit Fehlinformationen: „In die Monumenta ist 1870 der erste Jude eingetreten. In der Folge haben ihr gegen 50 Juden, hauptsächlich aus der Schule des Straßburger Juden Harry Breslau angehört“. Tatsächlich war als erster Jude Philipp Jaffé ab 1854 fest bei den MGH angestellt. Für einzelne Editionsprojekte arbeiteten einige jüdische Wissenschaftler aus unterschiedlichen Universitäten für die Monumenta (hier kann auf den für 2022 geplanten Aufsatzband zu diesem Thema verwiesen werden). Hermann Reincke-Bloch war der einzige Bresslau-Schüler mit jüdischer Herkunft, der Mitarbeiter der MGH wurde. Korrekt ist die Feststellung, dass Wilhelm Levison zum Zeitpunkt des Schreibens im Februar 1939 „noch Spezialaufgaben dort bearbeitet[e]“. Das Ehepaar Levison emigrierte im April 1939 nach England. Zieht man in Betracht, dass in der SS die fortdauernde Arbeit Levisons für die MGH auch durch dieses Schreiben verstärkt ins Visier genommen wurde, war für die Levisons tatsächlich höchste Eile geboten, sich aus der Reichweite des NS-Regimes zu entfernen.

Wenn auch keinerlei Maßnahmen empfohlen werden, so ließ Löffler dennoch keinen Zweifel daran, dass der beklagte „Einbruch des Judentums in die Geschichtswissenschaft“ allmählich zurückgedrängt werde.

Transkription

Das Ahnenerbe
Abt[eilung] für mittlere und neuere Geschichte
Lö./Rb.

Berlin-Dahlem, d. 3.2.1939
Pücklerstraße 16.

An den Reichsgeschäftsführer SS-Sturmbannführer Sievers
im Hause

Betr.: Juden in den Geisteswissenschaften.
Bezug: Dort. Befehl vom 27. Januar 1939

Eine ältere oder neuere Arbeit über die Juden in der Geschichtswissenschaft gibt es nicht (wie z.B. in der Literaturwissenschaft Wilhelm Stapel: „Die literarische Vorherrschaft der Juden“ oder früher Adolf Bartels.)

Die Forschungsabteilung Judenfrage im Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands wurde bis zum 31.12.1938 von Dr. Wilhelm Grau geleitet, dem zu diesem Termin wegen grober Verstöße gegen die Kameradschaft vom Präsidenten sein Dienstverhältnis gekündigt wurde. (Präsident dieser Abteilung ist Karl Alexander von Müller).

Die wichtigsten Werke Graus sind:

Wilhelm von Humboldt und das Problem des Juden, Hamburg 1935.

Antisemitismus im späten Mittelalter, München 1934 (Geschichte der Regensburger Judengemeinde)

Die Judenfrage als Aufgabe der neuen Geschichtsforschung, Hamburg 1935,

Die Judenfrage in der deutschen Geschichte, 2. Aufl[age] Leipzig 1937,

In der Forschungsabteilung Judenfrage hat Volkmar Eichstädt eine große Bibliographie zur Geschichte der Judenfrage (B[an]d I 1750-1848) veröffentlicht, (1938). Das Werk verzeichnet die publizistischen Äußerungen zur Judenfrage im deutschen Sprachgebiet von der Aufklärung bis zur Revolution von 1848 in breitester Fülle. Es umfaßt nicht allein Bücher und Broschüren, sondern auch Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften und wichtige Abschnitte aus staatswissenschaftlichen, theologischen und historischen Werken. Der vorliegende Band bringt nicht weniger als 3016 Nummern. Ausführliche Register erhöhen seine Brauchbarkeit. Weitere Bände sind geplant.

Ferner seien hier genannt:

Walter Frank: Deutsche Wissenschaft und Judenfrage, (1935) und
Karl Georg Kuhn: Die Judenfrage als weltgeschichtliches Problem (1938).
Außerdem können hier herangezogen werden die „Forschungen zur Judenfrage“. Sitzungsberichte der Münchener Arbeitstagungen des Reichsinstituts für die Geschichte des neuen Deutschland, 3. Bd., 1936,37,38. Eine Zusammenarbeit mit dem Reichsinstitut kommt allerdings nach dem Willen des Reichsführers-SS nicht in Frage.

In letzter Zeit erschien ferner ein Werk des Dr. Peter Deeg: „Der Hofjude“, das unter dem Protektorat von Julius Streicher geschrieben wurde. (Deeg hielt am 12.I. in Berlin seine Antrittsvorlesung im Beisein Streichers.

Ferner gibt es ein „Institut zur Erforschung der Judenfrage“, das von dem Oberregierungsrat im Propagandaministerium Staatsrat Dr. Wilhelm Ziegler geleitet wird. Von diesem wurde ein Werk veröffentlicht „Die Juden in Deutschland“, München 1936. Hierin zahlreiche brauchbare Aufstellungen.

Der Einbruch des Judentums in die Geschichtswissenschaft erfolgte nach 1870, besonders aber nach dem Weltkrieg. Wenn auch die Hauptvertreter der drei maßgeblichen Richtungen in der Geschichtswissenschaft von der Jahrhundertwende bis 1933 keine Juden waren (Paul Kehr, Friedrich Meinecke und Karl Lamprecht), so waren sie ihrer ganzen Denkart nach typische Vertreter einer liberalen Weltanschauung. So ist es nicht zu verwundern, daß ihre Schüler vielfach Juden gewesen sind. In die Monumenta ist 1870 der erste Jude eingetreten. In der Folge haben ihr gegen 50 Juden, hauptsächlich aus der Schule des Straßburger Juden Harry Breslau angehört; der letzte jüdische Vertreter ist der ehemalige mittelalterliche Historiker der Bonner Universität Wilhelm Levison, der heute noch Spezialaufgaben dort bearbeitet.

Die jüngere „Meineckeschule“ (Rothfels, Baron, Gerhard, Masur, Rosenberg, usw.) waren jüdisch.

Auch die Nachfahren Lamprechts waren vielfach Juden, wie gerade die Wirtschaftsgeschichte vor allem von Juden gepflegt wurde. (Doren, Caro, Davidsohn).

1933 beim Umbruch gab es in Deutschland (Altreich) 3 jüdische Ordinarien für mittelalterliche und neuere Geschichte:

den oben erwähnten Wilhelm Levison,

Siegmund Hellmann, Leipzig, seit 1935 emigriert

Hans Rothfels, Königsberg, seit 1936 emigriert.

Zahlreicher waren die jüdischen a[ußer]o[rdentlichen] Professoren, Lehrbeauftragten, Privatdozenten und jüdisch-Versippten. (Baron, Berney, Epstein, Gerhard, Bosch, Hallgarten, Hintze (Frau), Hobohm (jüdisch verheiratet), Holborn, Kantorowicz, (Friedrich II.-Biograph), Löwenson, Marcuse, Masur, Rosenberg, Salomon, Valentin u.a.).

Ferner ist bei Einbruch des Judentums in die Geschichtswissenschaft auf den Weg durch die historische Belletristik hinzuweisen (Emil Ludwig Cohn und Konsorten).

In diesem Zusammenhang darf ich auch auf meine ausführliche Denkschrift hinweisen, die diese Fragen behandelt und demnächst vorgelegt wird.

Lö[ffler]
SS-Obersturmführer.