Erst gefördert, dann diffamiert

Philipp Jaffé

  • * 17.2.1819 in Schwersenz bei Posen, heute Swarzędz/Polen
  • ✝ 3.4.1870 in Wittenberge

„Wer die Geschichte der Monumenta auch nur flüchtig kennt, weiß, dass es so etwas wie ein Trauma gibt, das mit dem Namen des Juden Philipp Jaffé verbunden ist“, schrieb Horst Fuhrmann 1996 in seinem Buch über die Mitarbeiter der MGH (Fuhrmann, S. 108). Jaffé war einer der Hauptprotagonisten in einer Fehde unter Gelehrten, wie sie auch an anderer Stelle vorkommt; in seinem Fall verschärfte sich der Konflikt durch den herrschenden Antisemitismus in der akademischen Berufswelt, der Philipp Jaffés Karriere stark beeinträchtigte. In seiner 1921 erschienenen Geschichte der MGH bemühte sich Harry Bresslau um eine ausgewogene Darstellung der Ereignisse. Die 2016 erschienene Monographie von Daniel R. Schwartz mit der Edition von 229 Briefen Jaffés zeigt 160 Jahre nach den Geschehnissen die Anteile der Beteiligten an diesem Konflikt mit dramatischem Ausgang auf.

Philipp Jaffé wuchs als einziger Sohn neben vier Schwestern in der jüdisch-orthodoxen Familie des Kaufmanns Elias Jaffé auf. Seine Mutter starb bei der Geburt seiner Schwester Ernestine 1821. Seine Stiefmutter, zweite Ehefrau seines Vaters und Mutter seiner Halbschwestern Clara, Emmy und Fanny, nannte Philipp Mutter. Die Familie Jaffé spielte in der jüdischen Gemeinde seines Heimatortes Schwersenz im Landkreis Posen (heute Swarzędz) eine bedeutende Rolle. Aus Jaffés Briefen wird ersichtlich, dass er mit der jüdischen Lebensweise vertraut war. In der Schule kam er vermutlich mit aufgeklärter deutscher Erziehung in Berührung, die die preußischen Behörden in diesem Zeitraum auch an jüdischen Schulen lancierten.

Mit 19 Jahren begann Jaffé auf Wunsch seines Vaters eine kaufmännische Ausbildung in Berlin. Nach zwei Jahren konnte er seine historischen Interessen durchsetzen und sich als Vollzeitstudent an der Berliner Universität einschreiben. Auch in Berlin lebte Philipp Jaffé in einem jüdisch geprägten Umfeld, so besuchte er zum Beispiel regelmäßig jüdische Verwandte oder ließ seine Schriften von jüdischen Verlegern drucken. Einen riesigen wissenschaftlichen Erfolg erlangte er im Alter von 32 Jahren mit seinen Regesten der Papsturkunden, erschienen 1851. Dennoch eröffnete sich ihm keine Anstellung und so studierte Jaffé ab 1850 Medizin in Berlin und Wien, um finanziell unabhängig zu werden. 1853 wurde er zum Doktor der Medizin promoviert.

Jaffé konnte sich ab 1854 durch eine Anstellung bei den Monumenta vollständig der historischen Quellenforschung widmen, seinem eigentlichen Interesse. Bis 1862 arbeitete er mit Elan an mehreren Scriptores-Bänden mit. Nachdem er 1862 zu der Überzeugung gelangt war, dass Georg Heinrich Pertz, der Leiter der Monumenta, zwei Jahre zuvor seinen Wechsel auf eine Lebensstelle bei den Archiven in Florenz verhindert hatte, kündigte Jaffé seine Zusammenarbeit mit dem MGH auf.

Ab 1862 erhielt Jaffé eine außerordentliche Professur für Historische Hilfswissenschaften an der Berliner Universität und war damit der erste jüdische Professor an geisteswissenschaftlichen Fakultät in Preußen. Insbesondere aufgrund seiner paläographischen und philologischen Fähigkeiten erlangte Philipp Jaffé die Anerkennung der internationalen Fachwelt. Wie viele Juden dieser Zeit konventierte er vermutlich aus beruflichen Gründen im Februar 1868 zum Protestantismus. Er verstieß damit gegen die Traditionen seiner Familie, hielt jedoch zu Ehren des Vaters noch das traditionelle Trauerjahr nach dessen Tod im Dezember 1866 ein, bevor er konvertierte. Im gleichen Jahr gipfelte der seit seiner Kündigung bei den MGH schwelende Zwist mit Pertz in absurden Vorwürfen, die Pertz öffentlich gegen ihn erhob. Zusammen mit anderen belastende Faktoren führte diese Situation 1870 zum Suizid Philipp Jaffés.

Der Konflikt zwischen Philipp Jaffé und Georg Heinrich Pertz hat nicht nur auf die Geschichte der MGH, sondern auf einige MGH-Bände Auswirkungen, wie MGH-Präsident Horst Fuhrmann schrieb: „Jaffé (…) hatte erheblichen Anteil an der Erstellung von sechs Scriptoresbänden, ohne dass sein Name auf dem Titelblatt erschien. Er fehlt deshalb auch im Gesamtverzeichnis heute lieferbarer Monumentabücher“ (Fuhrmann, S. 109).


Editionen bei den MGH

  • Translatio et miracula S. Modoaldi, ex translatione S. Auctoris, miracula b. Egidii; Seheri primordia Calmosiacensia; Udalscalcus de Eginone et Herimanno; Vita Theogeri abbatis Georgii et episcopi Mettensis; Vita Godefridi comitis Capenbergensis; Rupertus de incendio Tiutiensi et de Cunone episcopo Ratisponensi, in: MGH SS 12 (Hannover 1856), S. 284-347; S. 429-447; S. 449-500; S. 513-530; S. 624-638
  • Annales Argentinenses; Ellenhardi Argentinensis Annales et Chronica; Annales Maurimonasterienses; Annales Colmarienses, Basileenses, Chronicon Colmariense; Annales Benedictoburani; Notae Diessenses; Annales et notae Undersdorfenses; Annales et notae Scheftlarienses; Annales et historiae Altahenses; Annales SS. Udalrici et Afrae Augustenses; Notae Baumburgenses; Historiae et annales Windbergenses; Annales et notae Emmerammi Ratisbonenses et Weltenburgenses; Eberhardi Archidiaconi Ratisponensis Annales; Chounradi Schirensis Chronicon, Catalogi, Annales; Annales et notae Babenbergenses; Annales Bremenses, in: MGH SS 17 (Hannover 1861), S. 86-141; S. 181-270; S. 319-320; S. 323-327; S. 332-438; S. 559-576; S. 591-605; S. 613-642; S. 854-858
  • Annales Mediolanenses minores; Annales Laudenses auctoribus Ottone et Acerbo Morensis; Annales et notae Parmenses et Ferrarienses; Annales Cremonenses; Annales Bergomates, in: MGH SS 18 (Hannover 1863), S. 383-402; S. 582-810; S. 660-799; S. 800-807; S. 809-810
  • Rolandini Patavini Chronica; Annales Sanctae Iustinae Patavini, in: MGH SS 19 (Hannover 1866), S. 32-193


Weitere Veröffentlichungen in Auswahl


Verwendete Literatur zu Philipp Jaffé


Foto von Philipp Jaffé