Einführung

Der Hochschullehrer

Notizzettel aus Universitätsbetrieb 1910-1912

In seiner Lehrtätigkeit konzentrierte sich Henry Simonsfeld ab 1886/87 auf die Historischen Hilfswissenschaften, die beim Ausbau des Historischen Seminars der Ludwig-Maximilians-Universität angesichts der Besetzung der epochen- und landesgeschichtlichen Lehrstühle eine strategische Lücke zu bieten schienen. Vor allem aber erfand er einen neuen Veranstaltungstyp für Anfänger, die „Geschichtliche Literaturkunde“. Mit dieser und seinen „historischen Übungen“ leistete er Grundlegendes für die methodische Ausbildung der Münchner Geschichtsstudenten. Dass die Ernennung zum Professor lange auf sich warten ließ, wurde von einigen auf den geringen akademischen Stellenwert der Hilfswissenschaften zurückgeführt, hängt aber – außer mit der jüdischen Herkunft Simonsfelds − möglicherweise auch damit zusammen, dass ihn Ludwig Traube als Vertreter der Paläographie in den Schatten stellte. Simonsfeld hielt Übungen und Sprechstunden häufig in seiner Privatwohnung ab, die seit seiner Heirat 1894 im dritten Stock der Schellingstraße 89 lag, in einem der wenige Jahre zuvor errichteten hochmodernen „Fürstenhäuser“, deren Fassaden mit Fresken bemalt waren, in denen die bayerischen Könige gefeiert wurden. Auch ging er zum Semesterschluss gerne mit seinen Hörern in das Café de l’Odéon schräg gegenüber dem Hotel Vier Jahreszeiten in der Maximilianstraße.

Im Archiv der MGH findet sich unter Überresten von Simonsfelds Nachlass der Aushang, mit dem er im Sommersemester 1912 den krankheitsbedingten Ausfall seiner Veranstaltungen bekanntgab; bemerkenswerterweise ist er an „Hörer und Hörerinnen“ gerichtet. Auch seine Vorlesungsankündigungen für die Sommersemester 1910 und 1912 sind erhalten geblieben. Ein interessantes Dokument aus der Frühzeit des Frauenstudiums ist das Zeugnis für Elisabeth Lürssen, die sich als Pädagogin, Politikerin und Vertreterin der Frauenbewegung einen Namen machte.

Transkription

Zettel (wohl Aushang)

Hörsaal N. 213

Zu meinem schmerzlichsten Bedauern muß ich auf Anordnung der Aerzte wegen eines Kehlkopf-Katarrhs meine Vorlesungen bis auf Weiteres aussetzen. Ich hoffe bestimmt sie nach Pfingsten Montag 3. Juni wieder aufnehmen u[nd] das Versäumte durch Einschiebungen nachholen zu können. Sollte dies wider Erwarten nicht der Fall sein, so würde das eingezahlte Kolleggeld vollständig zurückerstattet werden. Natürlich hat jeder der verehrten Hörer u[nd] Hörerinnen das Recht sich jetzt schon in den Listen streichen u[nd] das Honorar in der Quästur zurückgeben zu lassen. Auf keinen Fall werde ich in diesem Semester die Seminar- und die paläographischen Übungen für Geübtere (Samstag 8-10 Uhr) weiter halten, schon um später Zeit für die Einschiebungen zu gewinnen.

Prof. Simonsfeld

Zettel

München 25. X. 1911

Der Unterzeichnete bestätigt, daß Fr[äu]l[ei]n Elisabeth Lürssen aus Delmenhorst in Oldenburg seine historischen Seminarübungen im Sommersemester 1911 (bis zu ihrer Erkrankung) mit großem Eifer und reger Anteilnahme besucht, auch einmal ein Referat übernommen hat.

Prof. Dr. H. Simonsfeld