Ein Leben für Mittellatein

Ludwig Traube

  • * 19.6.1861 in Berlin
  • ✝ 19.5.1907 in München

Ludwig Traube stammte aus einer Weinhändlerfamilie in Ratibor (Schlesien); seine Eltern waren Cora, geborene Marckwald, und der Mediziner Ludwig (Louis) Traube, der als Armenarzt und am jüdischen Krankenhaus in Berlin-Mitte arbeitete, sich aufgrund des Emanzipationsgesetzes vom 23. 7. 1847 habilitieren konnte und ab 1849 als Professor für Innere Medizin an der Charité arbeitete. Dass dieser wissenschaftliche Erfolge zum Teil durch Tierversuche gewann, verstärkte die Abwendung des Sohnes von seinem Vater.

1880 begann der neunzehnjährige Traube ein Studium der klassischen Philologie in München. 1882 verlobte er sich mit der Malerin Sabine Graef (verh. Lepsius), mit der er 1888 die zwei einzigen Hefte der Zeitschrift „Schauspiel und Bühne“ herausgab. 1883 promovierte er in München; die Habilitation über die Rhythmik in der karolingischen lateinischen Dichtung folgte 1888. Im gleichen Jahr wurde die Verlobung zwischen Traube und Graef gelöst. 1901 heiratete Ludwig Traube Hildegard Hirth, Tochter des Sinologen Friedrich Hirth.

Ab 1884 war Traube Mitarbeiter der MGH, 1897 bis 1904 Mitglied der Zentraldirektion. Nach dem gescheiterten Versuch, Paul von Winterfeld als seinen Nachfolger in der Leitung der Poetae zu etablieren, schied Traube 1904 aus der Zentraldirektion aus. Seit 1899 bemühte sich der Philologe um eine bezahlte Anstellung an der Münchner Universität, wurde jedoch aufgrund antisemitischer Umtriebe regelmäßig abschlägig beschieden. Da Traube zunehmend an Platzangst, genauer gesagt Agoraphobie, litt, musste er seine Lehrveranstaltungen in einem umgebauten Gartenhaus in der Münchner Seestraße abhalten. 1900 bekam Traube für seine Lehrtätigkeit den undotierten Titel „außerplanmäßiger Professor“. Einen Ruf nach Berlin lehnte er 1901 ab. In München wurde ihm im gleichen Jahr eine reguläre, aber immer noch unbezahlte Professur zugestanden, nachdem er mit Rückzug aus seiner Lehrtätigkeit gedroht hatte. 1902 bewirkte ein Angebot der Universität Gießen, dass Traube in München endlich eine bezahlte Professur zugesagt wurde. Erst ab 1.9.1904 erhielt Prof. Dr. Ludwig Traube das Gehalt eines ordentlichen Professors von 4560 Mark jährlich.

Traube verstand sich als Erforscher des Mittellateinischen und lehnte eine Zuordnung zur klassischen Philologie ab. Neben spätantiken und mittelalterlichen Autoren behandelte er die mittelalterliche Schriftgeschichte. Aus dem international besetzten Kreis seiner Hörerschaft ging eine ganze Generation von Handschriftenforschern hervor. Seine Freunde und Schüler beeindruckte er mit hintergründigem Witz und herzlichem Auftreten.

Ludwig Traube gilt als Begründer des Universitätsfaches ‚Mittellatein‘ und der modernen Paläographie. Indem er mittelalterliche Quellen nicht abstrakt als Texte betrachtete, sondern eine umfassende Auswertung ihrer Überlieferung forderte, trug er maßgeblich dazu bei, dass die MGH die Überlieferungsgeschichte eines Textes als festen Bestandteil ihrer kritischen Texteditionen etablierten.


Editionen bei den MGH


Weitere Veröffentlichungen in Auswahl

  • Traube, Ludwig, O Roma nobilis: Philologische Untersuchungen aus dem Mittelalter, in: Abhandlungen der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Philologische und Historische Classe 19 (1891), S. 299-395
  • Traube, Ludwig, Nomina sacra. Versuch einer Geschichte der christlichen Kürzung (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 2), München 1907
  • Traube, Ludwig, Rückblick auf meine Lehrthätigkeit, hg. von Gabriel Silagi, München 1988
  • Traube, Ludwig, Vorlesungen und Abhandlungen, hg. von Franz Boll, 3 Bände, München 1909-1920


Verwendete Literatur zu Ludwig Traube


Foto von Ludwig Traube