Einführung

Als Jude zwangspensioniert

Brief von Wilhelm Levison an Bruno Krusch, 24.12.1935

Nach der Habilitation hatte Wilhelm Levison 1903 in Bonn seine Lehrtätigkeit begonnen und war mit Zustimmung der MGH von Breslau nach Bonn gezogen. 1909 wurde er außerordentlicher Professor und 1912 bekam er eine planmäßige außerordentliche Professur für mittelalterliche und neuere Geschichte und historische Hilfswissenschaften mit gleichzeitiger Ernennung zum Mitdirektor des Historischen Seminars. 1919 wurde Levison als ordentlicher Professor verbeamtet und schied aus dem Dienstverhältnis bei den MGH aus.

Ende 1935 wurde Professor Wilhelm Levison aufgrund der NS-Rassengesetze zwangsweise pensioniert. Die Universität Bonn lehnte seinen Antrag auf Emeritierung ab, was gravierende finanzielle Einbußen zur Folge hatte. Er selbst erinnerte sich mit leisem Wehmut an seine Tätigkeit an der Bonner Universität: „Die Bonner Jahre waren eine Zeit froher Wirksamkeit in Unterricht und Wissenschaft. Mit voller Dankbarkeit denkt er [W. Levison] an diese Jahre zurück, so mancher Schüler und Kollege hat ihm auch nach 1933 trotz allen Druckes die Treue gehalten, bis das Verlassen der Heimat sich als notwendig erwies. Auf Grund der Nürnberger Gesetze wurde W. Levison am 22.X.1935 beurlaubt, am 23.XII. zum Ende des Jahres in den Ruhestand versetzt.“ (Levison, Familie, S. 65).

Am 24.12.1935 schrieb er seinem alten Lehrmeister Krusch zum Weihnachtsfest. In diesem Brief findet sich eine der seltenen Passagen, in denen Levison – ausgelöst durch die Zwangspensionierung - etwas von seinen persönlichen Sorgen mitteilte. Zu der Ausgrenzung und Entrechtung kamen finanzielle Schwierigkeiten und körperliche Belastungen, da die Levisons die vermutlich nichtjüdische Hausangestellte nicht länger beschäftigen durften.

Transkription

Lieber Herr Geheimrat! gerade war ich im Begriff, diese Zeilen an Sie zu schreiben, da erhielt ich Ihre Sendung, mit der ich mich ganz besonders gefreut habe: Ihr offenbar ausgezeichnet gelungenes Bild wird mir eine liebe Erinnerung an all die Jahre sein, in denen ich mit Ihnen habe zusammen arbeiten dürfen – bald werden es 37 Jahre sein, daß ich bei Ihnen in Hannover antrat! Haben Sie herzlichen Dank für diese Weihnachtsgabe, mit der Sie mich überrascht haben. – Gern hätte ich Ihnen als kleine Gegengabe meinen Aufsatz über Beda als Historiker geschickt, der kürzlich in der Festschrift zum 1200jahresgedächtnis von Bedas Tod erschienen ist (Beda, his life, times, and writings: Essays … edited by A. Hamilton Thompson, Oxford 1935, S. 111-151) – ich hätte Ihnen den Aufsatz um so eher geschickt, als Ihre chronologischen Arbeiten darin mehr als einmal genannt sind. Leider hat die Clarendon Press Sonderdrucke nicht genehmigt und mir nur ein einziges Exemplar des Bandes geschickt – weitere zu beziehen ist durch die Devisenbestimmungen erschwert ganz abgesehen davon, daß ich noch nicht weiß, wie ich in Zukunft wirtschaftlich gestellt sein werde. Vielleicht bietet sich später die Möglichkeit, ein Exemplar für Sie zu beschaffen. – Ich habe Sie diesmal lange auf Korrekturen warten lassen müssen – ich hatte besonders viel Arbeit mit den letzten Doktorarbeiten, mit denen ich zu tun hatte, namentlich mit einer im Satz stehenden sehr umfangreichen, die nicht warten konnte. Aber jetzt bin ich damit nahezu fertig, und Sie werden dann, so hoffe ich, in ganz kurzem Abstand die 3 Bogen erhalten, die auf Erledigung warten – die Zitate habe ich schon zum größten Teil nachgeprüft. Am 31. Dezember scheide ich nun nach 32 Jahren einer wohl nicht ganz unnützlichen Lehrtätigkeit aus meinem Amte aus. Hoffentlich sind die äußeren und die inneren, seelischen Voraussetzungen so, daß ich umso mehr der Wissenschaft leben kann. Meine zukünftigen Bezüge stehen noch nicht fest; ich muß mit dem Verlust von etwa ¼ mindestens wohl rechnen. Leider geht es meiner Frau gesundheitlich recht wechselnd, eine so ausgezeichnete Hausfrau sie auch ist, so sind wir (wie viele) von dem Dienstbotengesetz doch schwer betroffen, ein geeigneter Ersatz für unsere tüchtige Gehilfin, die gern bei uns war, ist kaum zu beschaffen. Hoffentlich reichen die Kräfte meiner Frau aus. – Nochmals herzlichen Dank und Ihnen und den Ihren alle guten Festwünsche und viele Grüße von uns beiden Ihr Wilh. Levison