Einführung

Talentschmiede für Handschriftenforscher

Mappe (65 cm x 87 cm) mit Lehrmaterial aus Traubes paläographischer Vorlesung

Von Jung auf hatte sich Ludwig Traube für das Mittellateinische begeistert. Als Hochschullehrer lehnte er eine Zuordnung seiner Lehrtätigkeit zur klassischen Philologie ab. So entstand durch ihn an der Ludwig-Maximilians-Universität München der deutschlandweit erste Lehrstuhl für mittellateinische Philologie. Aus dem international besetzten Kreis seiner Hörerschaft ging eine ganze Generation von Handschriftenforschern hervor wie Elias Avery Lowe, Professor für Paläographie in Oxford und Herausgeber der Codices Latini Antiquiores, oder Paul Lehmann, der Nachfolger auf dem Lehrstuhl Traubes in München.

Die großen Leistungen Traubes auf den Gebieten der mittellateinischen Philologie und der Paläographie wurden in München lange nicht entgolten, so sehr sich Traube um eine bezahlte Professur bemühte. Am 12.12.1901 beschrieb er gegenüber Goldschmidt seine Anstrengungen: „Ich bin todtmüde. Schrieb einen Überblick über meine Lehrtätigkeit zur Verteidigung gegen die unerhörten Angriffe der Presse (Sie lesen viell[eicht] in den Hochschulnachrichten den Ausfluss dieser klerikalen Gehässigkeit: daß ich mein Lehramt niederlegte, weil ich keine Zuhörer fände). In dieser Eingabe an die Fakultät, die hoffentlich auch ans Ministerium geht, habe ich nun Alles mobilisiert + das Facit meiner Lehrthätigkeit im Engeren + Weiteren gezogen. Auch Sie + Winterfeld + Swarzenski kommen vor: ‚als Gelehrte die für ihre anders gewandten Arbeiten palaeographischen Beistand bei mir suchten‘ + die ich in die histor[ische] Palaeographie einführte‘. Hoffentlich ist es so. Ich konnte Sie nicht erst fragen, ob Sie die Arabeske gestatteten. Bitte verse vice über mich zu verfügen für die Unerlässlichkeit des Studiums der Buchmalerei für den Palaeographen“ (MGH-Archiv B 683/1).

Paläographische Übungen zur spätantiken und mittelalterlichen Schrift sollten den Studierenden das Lesen der mittelalterlichen Textquellen nahebringen. Traube selbst beschrieb im Dezember 1901 sein Vorgehen: „Eine Zeit lang durch Störungen meiner Gesundheit dazu veranlasst, später aus technischen Gründen hielt ich die Übungen in meiner Wohnung ab (…), in einem besonderen durch Tafel und Bänke dazu eingerichteten Raume. Hier allein hatte ich die Gelegenheit, einen fruchtbaren historisch-palaeographischen Unterricht zu ertheilen, für den zahlreiche Bücher, Handschriften, Tafelwerke, Photographien stets zur Hand sein müssen. Hier verfüge ich über eine, ich glaube, fast vollständige Sammlung aller publicierten palaeographischen Hülfsmittel und daneben über eine Sammlung von photographischen Platten, Abzügen und mit der Hand hergestellten Facsimiles, die wahrscheinlich einzig in ihrer Art ist und die ich zum guten Theil schon wieder dem lebendigen Interesse meiner Schüler verdanke“ (Rückblick, S. 26). Die erwähnten Gesundheitsstörungen waren nicht nur physischer, sondern auch psychischer Natur, da Ludwig Traube an Agoraphobie litt.