Einführung

Jüdische Mitarbeiter noch intern sichtbar Ende 1937

Empfängerliste für Mitteilung der Übernahme der Geschäfte durch Professor Stengel, 02.12.1937

Die MGH wurden 1935 unter einem Dach mit dem Deutschen Historischen Institut in Rom als sogenanntes „Reichsinstitut“ umstrukturiert und befanden sie sich fortan in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zu dem diktatorischen Regime. Denn die NS-Führung verband mit der Umorganisation die Erwartung, dass die MGH als altehrwürdige Institution nationaler Geschichtsschreibung nunmehr dem „Führerstaat“ im Rückgriff auf die Kontinuitätslinien der deutschen Reichsgeschichte seit Karl dem Großen und der Herleitung einer eigenen, germanischen Rechtstradition zu historischer Legitimation verhelfen würde.

Dabei erscheint es auf den ersten Blick erstaunlich, dass die MGH auch nach der zunehmenden Ausgrenzung und Entrechtung jüdischer Mitbürger nach Inkrafttreten der „Nürnberger Rassegesetze“ im September 1935 weiterhin jüdische Wissenschaftler mit Duldung des Reichswissenschaftsministeriums beschäftigten durften. Der Grund dafür war einfach: Sie waren für die Arbeit der MGH unverzichtbar. Wilhelm Levison beispielsweise galt als Experte für die lateinischen Quellen der Merowingerzeit. Gemeinsam mit den jüdischen Professoren Ernst Perels und Josef Juncker war er daher mit Editionsaufgaben auch dann noch für die MGH tätig, als ihre Universitäten sie bereits zwangspensioniert hatten. Die Tatsache, dass sie zunächst weiterarbeiten konnten, bedeutete also keineswegs, dass die MGH Nicht-Ariern Schutzraum geboten hätten. Vielmehr ging es dem damaligen Leiter des Reichsinstituts in den Jahren 1936 und 1937, dem Landeshistoriker Wilhelm Engel, einzig und allein darum, einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten und langjährige Projekte der MGH nicht zu gefährden. Schließlich war er im Mai 1933 nicht nur der NSDAP, sondern auch der SS beigetreten, nachdem er bereits als Schüler dem „Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund“, einem der größten antisemitischen Verbände in der Weimarer Republik, angehört hatte.

Somit gehörten Levison und seine jüdischen Kollegen als Teil des Mitarbeiterstabs auch zu den Empfängern der Hausmitteilung der MGH vom 2. Dezember 1937, in der die Übernahme der Amtsgeschäfte des Reichsinstituts durch den Historiker Professor Edmund Ernst Stengel angekündigt wurde. Wie Engel hatte er sich ebenfalls 1933 öffentlich zu Hitler und zum nationalsozialistischen Staat bekannt. Zwar trat er der NSDAP erst 1942 bei. Sein Amt führte er jedoch in enger Abstimmung mit dem NS-Regime und suchte dabei die Unterstützung des Reichsführers-SS Heinrich Himmler.

Nach dem Pogrom vom 9. November 1938 verschlechterten sich auch die Lebens- und Arbeitsbedingungen der im Reichsinstitut beschäftigten jüdischen Mitarbeiter. Bereits zuvor, auf dem Parteitag der NSDAP in Nürnberg im September 1938, hatte Hitler in aller Deutlichkeit betont, dass die Herstellung einer echten Volksgemeinschaft die „Entfernung“, ja das „Ausschalten“ der Juden aus der Gesellschaft erfordere. Jüdische Beschäftigte der MGH durften nun unter keinen Umständen mehr in deren Publikationen oder auch nur auf internen Listen namentlich in Erscheinung treten. Es begann eine Schweigepolitik, die bis zum Ende des NS-Regimes beibehalten wurde. Gleichwohl führten Levison und auch Perels ihre Arbeiten für die MGH weiter – Levison sogar noch nach seiner Emigration nach England im April 1939, weil er mit der alten Heimat verbunden bleiben und seine Lebensarbeit fortführen wollte. So wurde er zu einem unbekannten Korrektor des Böhlau-Verlags. Im Reichsinstitut waren er und Perels Namenlose geworden.

Transkription

2.12.37
Liste der Empfänger der Übernahme der Geschäfte durch Professor Stengel

Ehrenmitglieder:
Geheimrat Kehr
Geheimrat Heymann
Geheimrat Leidinger
Geheimrat Schröder
Geheimrat Schultze
Hofrat Redlich

Mitarbeiter in Berlin:
Dr. Lohmann Dr. Menzel
Dr. Erdmann Herr Fickermann
Dr. Weigle Professor Perels
Dr. Ertl Professor Strecker
Dr. v. Gladiß Dr. Jordan
Dr. Roethe Dr. Ohnsorge
Frl. Dr. Hüttebräuker
Dr. Bulst

Auswärtige Mitarbeiter:
Geheimrat Krusch Professor Heimpel
Professor Levison Professor Schramm
Professor Hofmeister Dr. Buchner
Professor Schmeidler Prof. Junker
Professor Zatschek
Professor Hirsch
Dr. Aßmann
Dr. Pivec
Professor Beyerle
Professor von Schwerin
Professor Voltelini
Dr. Klebel

Mitarbeiter in Rom
Professor Bock (Professor Tellenbach)
Dr. Hagemann (Professor Fink)
Dr. Kämpf
Dr. Loschelder
Dr. Opitz
Dr. Abert

An die Akademien in
Berlin
München
Heidelberg
Göttingen
Leipzig

Ferner an die Herren:
Professor W. Frank
Professor Mentzel
Direktor Zipfel
Professor Platzhoff
Professor Kötzschke
Professor Hoppe
Professor R. Holtzmann
Professor Th. Mayer
Geheimrat Brandi