Vom begeisterten Mitarbeiter zum Außenseiter

Henry Simonsfeld

  • * 15.10.1852 in Mexiko-Stadt
  • ✝ 5.4.1913 in München

Henry Simonsfeld, Sohn eines frühverstorbenen Großkaufmanns, wuchs in der fränkischen Heimat seiner Eltern auf. Zum Studium zog er nach München, wobei die Geschichte nach einem Jahr in Göttingen bei ihm die Oberhand gegenüber der klassischen Philologie gewann. Für Georg Waitz und Wilhelm von Giesebrecht, von dem er 1876 summa cum laude promoviert wurde, empfand er zeitlebens starke Verehrung. Simonsfelds Vermögen reichte für ein Dasein als Privatgelehrter nicht aus. Er schlug 1878 das Angebot einer Stelle als „Hülfsarbeiter“ bei den MGH aus und entschied sich für die Hof- und Staatsbibliothek in München, deren Beamtenlaufbahn bis 1898 seinen Lebensunterhalt sicherte. Eine Tätigkeit in der Wissenschaft blieb sein ersehntes Ziel, auf das er seit der Habilitation 1878 hinarbeitete. Trotz eifrigen Bemühens geriet seine Karriere jedoch ins Stocken. Erst 1898 erhielt er eine außerordentliche Professur für Historische Hilfswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München, 1912 wurde er zum ordentlichen Professor für Geschichte und Historische Hilfswissenschaften ernannt.

Simonsfelds Universitätskarriere wurde neben anderen Umständen auch durch seine jüdische Herkunft behindert. Bei seiner Habilitation berichtete der Bayerische Landbote, es sei „eine sehr bedenkliche Erscheinung“, dass „die Juden“ nun auch „auf unserer Universität Einzug“ hielten, und nach seiner Konversion zum protestantischen Glauben (1894) wurde er von bayerischen Zeitungen als „der getaufte Jude“ betitelt. In seinem wissenschaftlichen Werk hat die jüdische Herkunft keine Spuren hinterlassen, während sich sein Interesse an Migration, Handel und Kulturkontakten deutlich spiegelt. Als nationalliberaler Historiker lehnte er konfessionelle Deutungen der Geschichte ab.

Georg Waitz beauftragte Simonsfeld mit der Edition italienischer Geschichtswerke und bezahlte ihm Handschriftenrecherchen für verschiedene Vorhaben der MGH. Von 1877 bis in die zweite Hälfte der 80er Jahre war er der wichtigste Italienreisende der MGH. Erst danach begann sich Oswald Holder-Egger der italienischen Quellen stärker anzunehmen, und dadurch gerieten Simonsfelds Arbeiten ins Hintertreffen. Im 14. Band der Scriptores erschienen das Chronicon Altinate und andere Texte der ältesten venezianischen Geschichtsschreibung als einzige seiner Editionen für die MGH; weitere von ihm abgelieferte Manuskripte lagen auf Halde. Darüber kam es zum Zerwürfnis mit Holder-Egger und zur Abkühlung der Beziehungen zu den MGH. Im Gedächtnis der Institution geriet Simonsfeld in Vergessenheit, zumal sich seine Forschungsinteressen von den MGH entfernten und er zunehmend andere Publikationsorte bevorzugte.

Von Henry Simonsfelds Forschungen sind seine Monographie zum Fondaco dei Tedeschi und der erste Band der Jahrbücher Friedrich Barbarossas hervorzuheben, die beide im 20. Jahrhundert neu aufgelegt wurden. Auch lohnen viele seiner quellenorientierten kulturgeschichtlichen Studien noch heute eine Lektüre.


Editionen bei den MGH


Weitere Veröffentlichungen in Auswahl

  • Henry Simonsfeld, Andrea Dandolo und seine Geschichtswerke, München 1876; italienisch: Andrea Dandolo e le sue opere storiche (tradotto da Benedetto Morossi), in: Archivio veneto 14 (1877), S. 49-149 - Dissertation
  • Henry Simonsfeld, Venetianische Studien I (Das Chronicon Altinate), München 1878 - Habilitationsschrift
  • Henry Simonsfeld, Der Fondaco dei Tedeschi und die deutsch-venetianischen Handelsbeziehungen, 2 Bände, Stuttgart 1887
  • Henry Simonsfeld, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Friedrich I. Band 1: 1152 bis 1158 (Jahrbücher der Deutschen Geschichte 17,1), Leipzig 1908

Verwendete Literatur zu Henry Simonsfeld



Foto von Henry Simonsfeld 1891